"Geschichten aus Tamriel (Teil 1) - Seelensammler" von Salira | The Elder Scrolls (2024)

Als Ninonwe am Horizont die ersten Türme von Vulkhelwacht entdeckte konnte sie nicht verhindern, dass ihre Augenbrauen leicht nach oben wanderten. Die Gebäude der Hochelfen wirkten aus der Ferne wie Nadeln, die sich gegen Himmel reckten und die Seelenberaubte fragte sich, zu welchem Zweck. Je näher sie dem Hafen und damit auch unweigerlich der Stadt kamen umso mehr wurde ihr jedoch klar, dass der Zweck scheinbar war hübsch auszusehen. Oder zu beeindrucken.
Nun, beeindruckt war sie, dass konnte die Waldelfe kaum abstreiten, doch sie hatte bisher noch nicht entschieden, ob dieses Gefühl im Zusammenhang mit Bewunderung oder Einschüchterung stand.
Je näher sie dem Hafen kamen umso mehr wuchs ihre Unsicherheit. Dennoch reckte sie etwas den Kopf um vielleicht noch mehr zu sehen. Die wenigen Bäume die sie sah wirkten seltsam in Form gebracht und alles schien so ordentlich.

„Sehen alle hochelfischen Städte so aus?“, fragte sie unsicher und Jimila, die neben ihr stand, gab einen belustigten Laut von sich.

„Soweit ich weiß, ja. Hübsch anzusehen, nicht wahr?“, fragte die Khajiit und Ninonwe gab ein nachdenkliches Geräusch von sich.

„Es wirkt… solide“, erwiderte die Bosmer schließlich, weil ihr beim besten Willen keine bessere Antwort einfiel.

Hübsch waren die Gebäude, die sie von hier aus sehen konnte zweifellos, aber sie konnte ein gewisses Gefühl der Beklommenheit nicht abschütteln. Es wirkte beengend und ihr Wolf bestätigte ihr diese Beobachtung mit einem unzufriedenen Grummeln.
Ninonwe lenkte ihren Blick vom Hafen Vulkhelwachts zurück auf das Deck der Vagabund, auf dem Jimilas Mannschaft emsig dabei war alles fürs anlanden des Schiffes vorzubereiten. Die hochelfische Delegation stand bereits an der Reling, ganz offensichtlich sehr begierig darauf das Schiff möglichst bald zu verlassen. Ninonwe verglich die aufwendig bestickte und teure Kleidung der altmerischen Würdenträger mit der Architektur dieser Stadt und entschied im Stillen, dass sie zueinander passten. Beide strahlten eine kühle Schönheit und unterschwellige Arroganz aus, als müssten sie für alle sichtbar machen, dass sie sich überlegen fühlten. Nun, zumindest einige von ihnen. Kommandantin Karinith schien sehr nett und direkt zu sein, aber vielleicht hatte das mehr damit zu tun, dass sie Soldatin war.
Die Seelenberaubte bedauerte es etwas, dass die Kommandantin auf Khenarthis Rast zurückgeblieben war, denn so hätte sie jemand anderes als Jimila für die Überfahrt zum Reden gehabt. Ealcil und die anderen Würdenträger des Dominions waren wenig an Ninonwe interessiert und der Rest von Jimilas Crew schien ehrfürchtig Abstand zu halten. Auch mit diesem Verhalten konnte die Waldelfin sehr wenig anfangen und so war sie für sich geblieben.
Natürlich, als sie gestern am späten Nachmittag das Schiff betreten und man ihr ihre Kabine gezeigt hatte, war das erste was Ninonwe getan hatte sich zu waschen und sich in einer Hängematte zusammen zurollen, wo sie bis zum nächsten Morgen durchgeschlafen hatte.
Ohne irgendeine Aufgabe, die sie erledigen konnte, hatte sie danach das Schiff erkundet, das Meer beobachtet und versucht die friedliche Atmosphäre zu genießen, die zumindest für eine Weile geherrscht hatte. Letzteres war nur von einem mäßigen Erfolg gekrönt, denn sie musste schnell feststellen, dass das Meer nach einer gewissen Zeit immer gleich aussah und vorbeiziehende Wolken sie nur bedingt ablenken konnten. Sie hatte sogar angeboten der Mannschaft zur Hand zur gehen, doch diese hatten dankend abgelehnt, mit den Worten das sie sich nach dem gestrigen Kampf gegen die Maormer doch sicherlich noch ausruhen wollte.
Ninonwe hatte es nur vorgezogen nichts sagend zu lächeln und sich in ihre Kabine zurück zuziehen, wo sie ihre wenigen Habseligkeiten sortierte. Es wäre wahrscheinlich nicht ratsam irgendwem zu erklären, dass sie weniger Zeit für Erholung benötigte als andere und das ihr Schlaf seit siebzehn Jahren ein unruhiger war, ganz egal erschöpft sie vom Vortag war. Das Bestienblut machte rastlos.
Zumindest hatte sie so Zeit die Dinge zu bewundern, die ihr Oberhaupt Harrani zum Dank für die Rettung vor den Maormern ins Bündel gepackt hatte. In Ninonwes Augen war die Khajiit mehr als großzügig gewesen, denn sie hatte der Bosmer nicht nur ein einfaches, aber tadellos gefertigtes Stiefelmesser geschenkt, sondern auch zwei kleinere Taschen für ihren Gürtel, sowie eine verzauberte Geldbörse, die auch noch Gold enthielt. Ninonwe hatte die Magicka an der Börse spüren können, doch sie vermochte nicht zu sagen, was die Verzauberung bewirkte. Und sie traute sich nicht wirklich jemand anderen zu fragen, zumal der einzige Magier auf diesem Schiff wohl Ealcil war.
Das schönste Stück was Harrani ihr jedoch überlassen hatte war ein Kamm aus Knochen, der mit kunstvollen Schnitzereien verziert war und die Bosmer hatte sich nicht zurückhalten können diese im Schein einer Lampe ausgiebig zu begutachten. Ihre ältere Schwester Larena hatte einst etwas Ähnliches besessen. Ein Geschenk von einem Verehrer der sehr ausdauernd um sie geworben, sich schlussendlich jedoch für eine andere entschieden hatte. Larena war darüber wenig traurig gewesen, hatte sie die Gesellschaft der Wälder der meisten anderen Personen doch stets vorgezogen. Den Kamm hatte sie jedoch behalten und Ninonwe hatte ihr stets ehrfürchtig dabei zugesehen wie sie damit ihr langes, helles Haar pflegte.
Die junge Bosmer hatte daraufhin nur schwer seufzen können. Der Kamm war genauso verloren, wie das Leben ihrer Schwester und aller anderen aus ihrem Dorf und nichts was sie tat würde auch nur einen von ihnen zurückbringen. Sie war allein.
Nun, fast. Ihr Wolf hatte sie mit einem scharfen Japsen wieder zurück in das Hier und Jetzt gebracht und sie daran erinnert, dass es wenig brachte in Melancholie zu verfallen. Es gab Dinge zu tun, Wege zu beschreiten, Nekromanten zu jagen, einen daedrischen Fürsten aufzuhalten. Und eine Nachricht sollte sie immerhin auch noch überbringen.
Also hatte Ninonwe sich aufgerafft, ihre wenigen Sachen wieder zusammen gepackt und reisefertig verschnürt und zusammen mit ihrem Schwert in eine Ecke gestellt, damit sie diese nur noch greifen musste wenn sie in Vulkhelwacht ankamen. Danach war sie wieder an Deck gegangen und leistete Jimila Gesellschaft, die hinter dem Steuerrad stand und scheinbar gewillt war der jungen Bosmer etwas über die Seefahrt beizubringen, solange die Überfahrt so glatt verlief.
Ninonwe konnte nun sagen, dass sie besser verstand wozu all die Seile und Segel da waren, auch wenn sie nicht glaubte, dass Schiffe je zu ihren liebsten Fortbewegungsmitteln zählen würden. Den letzten Teil behielt sie allerdings für sich, denn es war offensichtlich das Jimila ihr darin nicht zustimmen würde. Die Khajiit war eine Frau der See und die Vagabund ihr liebster Besitz.
Die Seelenberaubte jedoch war erleichtert, als das Schiff endlich am Kai vor Anker lag und ein Laufsteg das Schiff mit dem Hafen verband. Natürlich, die hochelfischen Delegierten vergeudeten keine Zeit und beanspruchten diese als erste, dicht gefolgt von Ealcil. Ninonwe runzelte leicht die Stirn, als ihr einfiel das sie den Magier zumindest hätte fragen sollen, wo genau die Magiergilde hier in Vulkhelwacht war, doch nach einem Moment des Nachdenkens beschloss sie, dass dies wahrscheinlich nicht notwendig war.
Razum-dar hatte sie darum gebeten eine Nachricht an den Wachhauptmann zu überbringen und diese hatte mit hoher Wahrscheinlichkeit ebenfalls die Informationen die Ninonwe benötigte. Immerhin, diese Astanya sollte ihre Stadt kennen, oder?

„Ich würde Euch ja anbieten zu bleiben und mit uns weiter zu segeln, aber ich denke das ist nichts was in Eure Pläne passt, richtig?“, fragte Jimila, als Ninonwe sich ihre Sachen geholt hatte und der Kapitänin zum Abschied die Hand reichte, was die Khajiit mit einer Umarmung erwiderte.

„Ich habe einige Dinge zu erledigen. Aber vielleicht sehen wir uns ja irgendwann wieder“, erwiderte Ninonwe mit einem entschuldigenden Lächeln.

„Daran habe ich keine Zweifel, Freundin. Passt bis dahin gut auf Euch auf.“

„Ihr ebenso“, nickte die Bosmer, bevor sie ebenfalls das Schiff verließ und ihre Schritte über den Kai lenkte.

Das erste was ihr auffiel war wie laut es am Hafen war und die Geräuschkulisse nahm sogar noch zu, je näher sie der eigentlichen Stadt kam. Überall waren Leute und sie konnte noch mehrere andere große Schiffe im Hafen ausmachen, die scheinbar hier ihre Ladung löschten und neue aufnahmen. Das zweite waren die vielen unterschiedlichen Gerüche, von denen nur die wenigsten tatsächlich abstoßend waren, doch alles zusammen war ein bisschen überwältigend.
Außerdem fiel ihr auf, jetzt da sie an Land war und einen noch besseren Blick auf die Häuser und Türme hatte, dass die Altmer offenbar gerne wirklich große Gebäude bauten, die Bäume und Felsen die die Stadt teilweise umgaben, um Längen überragten.
Der Wolf grummelte nur unzufrieden in ihrem Verstand, dass eine Jagd zwischen solchen Gebäuden viel zu kompliziert war, bevor er sich weiter zurückzog. Er wusste, dass Ninonwe ihm hier nicht die Oberhand lassen würde, zumal das in einer solchen Umgebung äußerst unklug wäre.
Ninonwe konnte momentan nichts anderes tun als ihren Wolf mit dem Versprechen zu zügeln, dass sie in einigen Tagen in der vertrauten Umgebung von Valenwald auf die Jagd gehen würden. Um dort hinzu gelangen musste sie jedoch zuerst diese Astanya finden, was hoffentlich nicht allzu lange dauerte.
Unwillkürlich fragte sie sich, wo genau ein Wachhauptmann sich normalerweise um die späte Mittagszeit herum aufhielt. Gab es hier irgendwo ein Haus wo die Wachen hingingen?
Sie beschloss, dass sie kaum eine Antwort auf diese Frage finden würde, wenn sie weiter am Hafen herumstand und so setzte sie sich erneut in Bewegung und steuerte auf einen Weg zu, der zu einer Steintreppe führte. Am Fuße der Treppe standen einige Leute, die sich auf den ersten Blick in zwei Gruppen aufteilten. Eine in schweren Rüstungen und schwer bewaffnet, und alle anderen.
Die Leute in den Rüstungen waren außerdem alle Altmer und sahen irgendwie so aus, als hätten sie eine offizielle Funktion. Ninonwe schlussfolgerte, dass diese Leute durchaus zur Wache von Vulkhelwacht gehören konnten und so ging sie schnurstracks auf diese zu.
Als sie näher kam, erkannte die junge Bosmer, dass die Wachen scheinbar die Leute kontrollierten, die in die Stadt hinein wollten. Unwillkürlich fragte sie sich, was sie wohl suchten oder ob das hier normal war. Vielleicht war es gang und gebe, dass die Altmer nicht jeden in ihre Städte ließen. Ninonwe hoffte, dass dies nicht der Fall war und falls doch, dass sie zu den Glücklichen gehörte, auf die das zutraf. Immerhin, sie war eine Waldelfin und damit in der Theorie auch Teil des Dominions, richtig?
Diese Leute sollten sie also eigentlich als Verbündete ansehen.
Eine Hochelfin in polierter Rüstung sah in ihre Richtung und gab ihr unmissverständlich zu verstehen, dass sie näher kommen sollte. Ninonwe folgte dieser Aufforderung, auch wenn sie für einen winzigen Moment zögerte. Für einen Augenblick fühlte sie sich unangenehm an die Begegnung mit der Offizierin der Thalmor auf Khenarthis Rast erinnert, die sie für eine Skooma-Schmugglerin gehalten hatte. Dabei fiel ihr ein, dass sie bei der ganzen Aufregung der letzten Tage komplett vergessen hatte Raz zu fragen wer oder was genau die Thalmor eigentlich waren.
So wie es aussah, würde sie das nicht sobald herausfinden, denn sie würde sicherlich keinen Fremden bitten ihr dies zu erklären. Vielleicht stolperte sie über diese Information irgendwann, auch wenn sie nicht glaubte, dass sie noch viel mit dem Dominion zu tun haben würde. Immerhin, ihr Ziel war Molag Bal aufzuhalten und dem Propheten zu helfen Lyris aus Kalthafen zu retten, damit Nadeni, Thogoth und sie selbst ihre Seele zurückbekamen.
Sie schob all diese Gedanken erst einmal beiseite, als sie vor der Altmer, die sie heran gewinkt hatte, zum Stehen kam. Die andere Frau musterte sie mit einem unleserlichen Gesichtsausdruck einmal von Kopf bis Fuß, wobei ihr Blick offensichtlich an Schwert, Dolch und Lederharnisch hängen blieb.

„Grüße“, sagte die Altmer schließlich. „Verzeiht, aber momentan herrschen in Vulkhelwacht strengere Sicherheitsvorkehrungen als üblich. Ich muss Euch fragen woher Ihr kommt und wohin Ihr beabsichtigt zu gehen. Ich bin Wachhauptmann Astanya und Ihr seid?“

Ninonwe stutzte für einen kurzen Moment, bevor sich ein Gefühl der Erleichterung in ihr breit machte. Dass sie die Person, der sie eine Nachricht überbringen sollte gar nicht erst suchen musste, war ein wirklicher Glücksfall und ihre Laune besserte sich schlagartig.

„Mein Name ist Ninonwe. Ich kam gerade mit dem Schiff von Khenarthis Rast und soll Euch eine Nachricht überbringen“, erwiderte sie und die Hochelfin sah sie beinahe verdutzt an.

„Eine Nachricht?“, echote Astanya und fragte in einem leicht zweifelnden aber nicht unfreundlichem Ton. „Von wem?“

„Von einem Khajiit namens Razum-dar. Ich soll Euch mitteilen, dass Khenarthis Rast von Maormern angegriffen wurde, diese dort zurück geschlagen wurden, weshalb zu befürchten ist, dass sie vielleicht auch andere Küsten des Dominions überfallen könnten. Einschließlich Vulkhelwacht“, erwiderte Ninonwe freundlich, doch sie verkniff sich jeden Anflug eines Lächelns, als sie sah wie das Gesicht des Wachhauptmanns bei der Erwähnung von Raz‘ Namen plötzlich verschlossen wurde.

In Ninonwes Kopf knurrte der Wolf leise, aber die Waldelfin brauchte ihn nicht, um instinktiv zu wissen, dass irgendetwas nicht stimmte.

„Der alte Raz schickt Euch also“, meinte die Altmer derweil und verzog leicht das Gesicht. „Das könnte die Sache verkomplizieren.“

„Verkomplizieren?“, fragte Ninonwe und versuchte so ahnungslos wie möglich auszusehen, auch wenn sich ihre Nackenhaare bereits bei dem Blick den Astanya ihr zuwarf aufstellten.

Die Altmer setzte derweil ein freundliches Lächeln auf, auch wenn ihr Blick immer kälter zu werden schien.

„Nichts was Euch beunruhigen sollte. Die Königin ist momentan in der Stadt und nun müssen wir die Sicherheitsvorkehrungen wohl noch ein weiteres Mal verstärken. Dennoch, danke für die Information, ich werde diese an die entsprechenden Stellen weiterleiten“, erwiderte Astanya und schien sich sogar ein Lächeln abringen zu können.

Der Wolf grollte leise und misstrauisch in Ninonwes Kopf und die Waldelfe teilte dieses Gefühl, zwang sich jedoch ebenfalls zu lächeln.

„Es ist gut, dass ich Euch so schnell gefunden habe. Raz meinte ihr wärt eine alte Freundin und meistens sehr beschäftigt, weshalb es schwierig werden könnte Euch die Nachricht zu zustellen“, plapperte Ninonwe und erhielt dafür ein abfälliges Schnauben.

„Alte Freunde? Der Kerl hat vielleicht eine rege Fantasie“, brummte Astanya, die offenbar Schwierigkeiten hatte die Maske der Freundlichkeit aufrecht zu erhalten sobald der Name des Khajiits erwähnt wurde.

Ninonwe beschloss, dass das ganz schlecht war. Nach allem was sie wusste neigte Raz zwar dazu Dinge für sich zu behalten, aber die Leute des Dominions schienen ihn generell zu respektieren und zu mögen. Bei Hircine, der Silvenar und die grüne Dame hatten dem Kater ganz offensichtlich vertraut und Ninonwe war eher gewillt dem Urteil dieser beiden Gewicht zu schenken als irgendeiner fremden Hochelfin. Und das bedeutete sie würde dieser Astanya auf gar keinen Fall vertrauen.

„Ihr kennt Euch gar nicht?“, hakte sie deshalb nach und tat so verwirrt wie sie konnte.

Der Hauptmann schien redselig wenn sie aufgebracht war und die Bosmer hatte das Gefühl, dass sie der Frau besser zu viel als zu wenig Informationen entlockte, auch wenn sie sich Astanya damit zum Feind machte.
Obwohl, so wie diese sie angesehen hatte sobald Ninonwe Raz Namen erwähnt hatte glaubte die Seelenberaubte nicht, dass der Wachhauptmann und sie jemals Freunde oder auch nur Verbündete werden würden.

„Ich kenne ihn durchaus“, knurrte Astanya derweil. „Wir haben sicherlich einige Male Seite an Seite gekämpft, aber ich würde ihn nicht als Freund bezeichnen. Schon gar nicht seit er bei der Königin unterschrieben hat.“

„Unterschrieben?“, fragte die junge Bosmer verdutzt und erhielt ein verstehendes Nicken als Antwort.

„Er hat Euch nichts gesagt?“, fragte Astanya abfällig und beantwortete ihre Frage sogleich selbst. „Natürlich hat er das nicht, er ist immerhin einer der größten Lügner in ganz Tamriel. Razum-dar arbeitet direkt für die Königin, für irgendeine schattenhafte Geheimorganisation. Ein Haufen von Dieben und Lügnern, soviel kann ich Euch versichern.“

Deine Versicherungen interessieren mich wenig, dachte Ninonwe eisig und ihr Wolf gab ein zustimmendes Bellen von sich.

Zumindest hatte sie nun die Bestätigung ihrer Vermutungen von Khenarthis Rast. Raz war ein Spion und zwar einer der für die Königin der Altmer arbeitete. Einfacher Khajiit, von wegen. Andererseits, diese Erklärung hatte sie ihm ja ohnehin nie abgekauft. Allerdings würde es sie brennend interessieren was der Wachhauptmann noch zu erzählen hatte.

Deshalb bemühte Ninonwe sich schnell möglichst bestürzt auszusehen, bevor sie murmelte: „Die Königin würde sich mit solchen Leuten umgeben?“

„Wer weiß das schon? Ich nehme an, dass man einige seltsame Leute trifft wenn man sich für Jahre abseits des Hofes aufhält und zum Schäkern durch ganz Tamriel reist. Oder was auch immer Ayrenn sonst so getrieben hat, bevor sie hier plötzlich wieder auftauchte und mir nichts dir nichts ihr Geburtsrecht einforderte“, brummte Astanya, offensichtlich nun noch wütender als zuvor. „Stellt Euch das mal vor. Ich wünschte ich könnte einfach meine Arbeit hinwerfen und anschließend einfach wieder aufschlagen, sobald mir langweilig geworden ist.“

„Das wäre sicherlich nicht gut“, stimmte Ninonwe zu. „Wer würde dann die Königin beschützen, wenn nicht Ihr und Eure Wachen?“

„Oh, meine Pflichten gelten der Stadt. Die Ersten Auridon-Seesoldaten sind die persönliche Leibwache von Königin Ayrenn. Sie unterstehen Schlachtenvogt Urcelmo, einem der höchstdekoriertem Krieger des ganzen Dominions“, winkte Astanya ab, nach wie vor deutlich verstimmt.

Innerlich atmete Ninonwe auf als sie das hörte. Diese Astanya konnte offensichtlich weder ihre Königin noch Razum-dar leiden und zu hören, dass sie nicht für deren Schutz verantwortlich war, war sicherlich eine Erleichterung. Nun, Raz war nicht hier, aber Ninonwe hatte das untrügliche Gefühl, dass ihn jemand ganz dringend über die wahren Gedanken des Wachhauptmanns zu seiner Person aufklären sollte. Ninonwe stöhnte innerlich auf, als sie erkannte was dies alles unweigerlich hieß.
Sie würde Valenwald nicht in den nächsten Tagen erreichen, oder?
Nicht, wenn sie diese Astanya im Auge behalten und Raz warnen wollte. Die Frage war, ob sie das tun sollte. Immerhin, was schuldete sie dem Kater? Sie könnte einfach weggehen.
Ihr Wolf grollte offensichtlich belustigt bei diesem Gedanken, wohl wissend dass seine Wirtin keine Verbündeten im Stich ließ und Ninonwe seufzte leise.

„Nun, wenn Ihr bei irgendetwas Hilfe benötigt, ich bin sicherlich einige Tage in der Stadt. Ich hatte vor die Magiergilde zu besuchen, aber…“, begann die Bosmer, auch wenn sie tatsächlich keine große Lust verspürte der Altmer zu helfen.

Doch wenn sie sie dadurch im Auge behalten konnte, war das eine bessere Variante, als am Hafen herum zu schleichen. Immerhin, bisher wusste sie nur, dass ihre Bekanntschaft zu Raz irgendetwas verkomplizierte. Ninonwe war, wider besseren Wissens, durchaus daran interessiert, was genau sie verkomplizierte.

„Nein, ich denke nicht, dass ich Eure Hilfe benötigte, aber danke für das Angebot“, erwiderte Astanya beinahe abwesend, bevor sie jedoch kurz die Stirn runzelte und Ninonwe erneut anlächelte. „Obwohl, wenn ich so darüber nachdenke, dann könnte ich vielleicht später Eure Hilfe benötigen. Es gibt viel Arbeit und vielleicht habe ich nicht genügend Leute für einige Sachen. Ich würde Euch eine Nachricht schicken, sollte dem so sein.“

Ninonwe zwang sich das Lächeln zu erwidern, bevor sie nickte: „Gern.“

„Dann wünsche Euch einen schönen Aufenthalt in Vulkhelwacht. Die Magiergilde ist hier die Treppe hoch, scharf nach links durch den Tempelbezirk und am großen Herrenhaus in der Stadtmitte vorbei, ganz in der Nähe des Handels- und Handwerksviertels. Ihr könnt es eigentlich nicht verfehlen.“

Die Bosmer bedankte sich und verschwendete keine Zeit um sich zu entfernen. So viel dazu, dass sie diese Astanya im Auge behalten würde. Wahrscheinlicher war, dass es nun andersherum war und der Hauptmann nun den Schritten der Seelenberaubten folgen würde, zumindest für eine Weile.
Nun, wenn dem so war, dann würde Ninonwe sie nicht enttäuschen und tatsächlich das tun, was sie angekündigt hatte. Auch wenn es nun so aussah, als würde sie nicht so schnell nach Valenwald kommen, so konnte sie doch zumindest in Erfahrung bringen, wieviel sie eine dieser Portalschriftrollen kosten würde.
Während sie die Straße durch Vulkhelwacht entlanglief nahm sie ihre Umgebung etwas genauer in Augenschein und entdeckte zu ihrer großen Freude, dass nicht alles aus Stein zu sein schien. Es gab fast überall grüne Flächen, die zwar nicht so aussahen als würden sie wachsen dürfen wie es ihnen beliebte, aber dennoch wenigstens einen Platz hatten. Die Gebäude wirkten nach wie vor einschüchternd und Ninonwe glaubte nicht, dass sie sich hier auf Dauer wohl fühlen würde, doch für eine Weile ließ es sich hier wahrscheinlich aushalten. Jetzt musste sie nur noch herausfinden, wie lang diese Weile andauern würde.
Sie hatte zwar herausgefunden, dass etwas nicht stimmte und dieses etwas mit dem Wachhauptmann zu tun hatte, aber abgesehen davon wusste sie wenig. Für einen kurzen Moment überlegte sie, ob sie versuchen sollte jemand anderen von dieser angeblichen Geheimorganisation die Raz eventuell anführte zu finden, doch diesen Gedanken verwarf sie genauso schnell wieder. Sie wusste nicht einmal wo sie anfangen sollte zu suchen.
Nein, Astanya und deren seltsame Aussagen waren momentan alles was sie an Informationen hatte und es war lediglich ihr Bauchgefühl und das Misstrauen ihres Wolfes, dass sie momentan zum Bleiben veranlasste. Dummerweise fiel es der Seelenberaubten schwer auch nur eines davon zu ignorieren, was wohl unweigerlich hieß das sie einige Tage in der Stadt verbringen würde.
Was die nächste Frage aufwarf, wo sie die Nacht verbringen sollte. Vielleicht außerhalb der Stadt? Oder sollte sie auf Rast vielleicht komplett verzichten und sich daran machen aus dem Blickfeld aller zu verschwinden, damit sie dem Wachhauptmann folgen konnte?
Einige Tage ohne Schlaf würde sie durchaus überstehen können.
Aber was dann?
Sollte sie am Hafen kampieren in der Hoffnung, dass Razum-dar irgendwann auftauchte, damit sie ihn warnen konnte das seine angebliche Freundin auf ihn alles andere als gut zu sprechen war?
Auch wenn es Ninonwe nicht gefiel, letzteres war wahrscheinlich ihre beste Option. Sofern der Wachhauptmann tatsächlich irgendetwas zu verbergen hatte als nur ihre Abneigung gegenüber dem Kater und der Königin. Vielleicht war Astanya einfach nur übellaunig.
Andererseits hatte sie gesagt das Ninonwe Dinge verkomplizieren würde.
Die junge Bosmer seufzte nur leise als sie einen runden Platz betrat in dessen Mitte ein offenes Gebäude emporragte, dass wohl eine Schmiede war. Scheinbar hatte sie den Ort erreicht, den Astanya ihr als Handwerks- und Händlerviertel beschrieben hatte und so begann die Seelenberaubte sich etwas genauer umzusehen. Sie benötigte nicht lange, um das Haus zu entdecken, dass mit einigen Bannern geschmückt war die alle stolz das offizielle Wappen der Magiergilde zur Schau trugen. Dieses hatte sie zuvor schon einmal gesehen, bei einer der wenigen Reisen die sie mit Onkel und Tante unternommen hatte. Glücklich darüber, dass sie ihr Ziel ohne Zwischenfälle erreicht hatte steuerte die Waldelfe auf das große Gebäude zu und schlüpfte durch das Eingangsportal.
Innen angekommen durchquerte sie den Vorraum in dem einige vollgestopfte Bücherregale standen, doch als sie den Hauptraum betrat blieb sie erst einmal wie angewurzelt stehen.
Der Raum war riesig. Und komplett aus Stein. Und durch ein Loch in der Decke konnte man in den zweiten Stock sehen.

„Kann ich Euch helfen?“, wurde sie angesprochen und die Bosmer bemühte sich ihren vor Staunen leicht geöffneten Mund schnell zu zuklappen.

Neben ihr stand ein Altmer, der sie erstaunlich offen und freundlich musterte, während er geduldig auf eine Antwort wartete.

„Ich… denke schon“, begann die Seelenberaubte langsam, auch wenn sie sich plötzlich recht unsicher fühlte. „Ich habe gehört Ihr verkauft Schriftrollen der Teleportation?“

„In der Tat“, lächelte der Altmer. „Sie bringen Euch von einer Gildenhalle in eine andere. Die Magiergilde unterhält Niederlassungen in ganz Tamriel, vornehmlich in den größeren Städten. Ihr könnt eine Schriftrolle erwerben und sie dann nach Belieben jederzeit einmalig verwenden.“

Ninonwe nickte verstehend, bevor sie fragte: „Und wieviel würde mich das kosten?“

„Einhundertfünfzig Goldstücke“, kam die prompte Antwort und Ninonwe musste sich doch zusammenreißen um nicht scharf die Luft einzuziehen.

Einhundertfünfzig Goldstücke waren fast die Hälfte des Goldes was sie in den letzten Tagen verdient hatte. Andererseits kam sie dafür fast sofort nach Valenwald ohne Zeit mit einer längeren Reise zu verschwenden und das wäre es ihr wahrscheinlich wert. Jetzt musste sie nur noch entscheiden ob sie sofort eine solche Schriftrolle kaufen sollte. Immerhin, dann könnte sie auf Razum-dars Ankunft warten und diese sofort benutzen, sobald sie ihn gewarnt hatte. Auf die Art konnte nichts anders mehr sie von ihrem Vorhaben abhalten.
Andererseits, was war wenn es länger dauerte bis der Kater auftauchte? Sie würde Geld brauchen um in der Stadt unterzukommen oder zumindest Essen zu bezahlen. Sie hatte von Khenarthis Rast lediglich ein paar Äpfel und einige Getreidekekse übrig gehabt und das Obst hatte die Überfahrt nach Vulkhelwacht nicht überlebt.

„Wir gewähren übrigens Mitgliedern unserer eigenen Gilde einen Nachlass“, meinte der Altmer und Ninonwe blinzelte ihn an.

„Ich bin aber kein Mitglied“, erwiderte sie. „Ich würde mich nicht einmal als Magierin bezeichnen.“

Ihr Gegenüber hob nur eine Augenbraue und sein Gesichtsausdruck verriet deutlich, dass ihn diese Aussage sowohl überraschte als auch belustigte.

„Nein? Dann sind die Reste der spürbaren Magicka an Euren Händen nicht von kürzlich gewirkten Zaubern?“, hakte er nach und Ninonwe sah fast schuldbewusst auf ihre Hände.

Ihr war wirklich langweilig auf der Überfahrt gewesen, als hatte sie geübt einen beschworenen Feuerball kleiner und größer werden zu lassen. Eine Konzentrationsübung, die sie schon als Heranwachsende benutzt hatte um sich nicht gänzlich in ihren Gedanken zu verlieren.

„Nun, doch“, gestand sie. „Aber das beherrschen von einigen Zaubern macht mich noch nicht zu einer Magierin.“

Der Magier vor ihr nickte zustimmend.

„Viele unserer Mitglieder sind auch Mitglieder der Kriegergilde. Viele von ihnen beherrschen nur eine handvoll Zauber und vertiefen sich nicht in unendliche Studien der theoretischen Magie. Und das verlangen wir auch gar nicht von unseren Schülern. Wir bieten eine solide Ausbildung für jeden mit genügend Talent, sowie die Möglichkeit für weiterführende Studien.“

„Und im Gegenzug verlangt Ihr was?“, hakte Ninonwe nach, denn so abgeschieden sie auch gelebt hatte, auch sie wusste das solche große Organisationen sich nicht mit Mildtätigkeit über Wasser hielten.

„Eine simple Beteiligung an möglichen Projekten. Wenn Ihr ein bis zwei Mal im Jahr einen Botengang für die Gilde macht, sind wir schon zufrieden. Außerdem ist die Magiergilde immer auf der Suche nach neuem Wissen. Wenn Ihr also viel reist und dabei seltene Bücher oder Manuskripte findet, dann wäre es gut wenn Ihr diese zu einer Gildenhalle zurückbringt, damit sie dort archiviert, kopiert und der breiten Öffentlichkeit die das nötige Interesse hat zugänglich gemacht werden kann, egal wo in Tamriel sie leben. Die Gilde ist stolz darauf ihre Neutralität zu wahren und natürlich würden wir es begrüßen wenn Besucher und Mitglieder sich ebenfalls daran halten solange sie in einer der Gildenhallen verweilen oder auf einem Botengang für uns sind“, erklärte Ihr der Altmer mit einem bedeutungsschweren Blick.

„Ich habe nicht vor Euch Ärger zu machen“, versicherte Ninonwe ihrem Gegenüber. „Und ich überlege es mir mit dem Beitritt.“

„Wunderbar“, lächelte der Hochelf, offensichtlich zufrieden. „Mein Name ist Curinure. Fragt einfach nach mir, wenn Ihr Euch für einen Beitritt entscheidet.“

„Ninonwe“, erwiderte die Bosmer mit einem Nicken. „Erfreut Eure Bekanntschaft zu machen.“

„Gleichfalls“, erwiderte Curinure und schien es auch so zu meinen, was Ninonwes Laune deutlich anhob.

Die Begegnung mit Astanya hatte einen bitteren Nachgeschmack bei ihr hinterlassen und sie konnte nicht einmal sagen, was genau sie am Wachhauptmann gestört hatte, abgesehen von den offensichtlich feindlichen Aussagen. Aber etwas in dem Blick der Altmer hatte Ninonwe irgendwie nicht gefallen.
Bevor sie auch nur ein weiteres Wort an den Magier vor sich richten konnte, wurde die Tür zur Gildenhalle aufgestoßen und ein weiterer Mer stürmte herein. Dieser trug die Rüstung die die Seelenberaubte schon an den anderen Wachen gesehen hatte und als er direkt vor ihr zum Stehen kam, ahnte sie bereits das Astanya ihn geschickt hatte. Das war ja verdächtig schnell gegangen. Es konnte kaum mehr als eine Stunde vergangen sein, seit sie sich vom Wachhauptmann verabschiedet hatte.

„Ihr seid Ninonwe? Gerade aus Khenarthis Rast eingetroffen?“, fragte der Fremde, von dem Ninonwe glaubte, dass er sogar noch jünger war als sie.

Die Bosmer begnügte sich nur mit einem Nicken und so fuhr er fort: „Wachhauptmann Astanya will Euch sehen. Sie braucht Eure Hilfe bei den Docks.“

Scheinbar war eine Antwort nicht von Nöten, da der Jungspund sich auf dem Absatz umdrehte und die Gildenhalle genauso geräuschvoll verließ wie er sie betreten hatte.

„Wie unhöflich“, bemerkte Curinure mit einem leichten Naserümpfen. „Er hätte wenigstens zuerst grüßen können. Was bringt die Wache ihren Rekruten heutzutage nur bei?“

„Offenbar keine Manieren“, entgegnete Ninonwe mit einem Schulterzucken, bevor sie dem Magier zunickte. „Entschuldigt mich. Habt einen schönen Tag.“

„Den wünsche ich Euch auch. Und denkt über den Beitritt nach.“

Ninonwe neigte zum Abschied den Kopf und verließ die Gildenhalle ohne ein weiteres Wort. Sie nahm den gleichen Weg durch die Stadt den sie gekommen war, doch fragte sich, was Astanya wohl für eine Aufgabe hatte. Ein ungutes Gefühl machte sich in ihr breit und ihr Wolf knurrte nur zustimmend.
Die Seelenberaubte erreichte die Docks relativ schnell, auch wenn sie sich keine wirkliche Mühe gegeben hatte sich zu beeilen. Erstaunlicherweise schien Astanya sie bereits ungeduldig zu erwarten.

„Ah, gut, Ihr seid hier. Wollt Ihr der Wache immer noch zur Hand gehen?“, fragte die Hochelfin und Ninonwe nickte.

Wollen war in ihren Augen zwar nicht wirklich das Wort was sie hier benutzen würde, doch das musste der Hauptmann ja nicht wissen.

„Gut“, fuhr Astanya derweil unbeirrt fort. „In dem Fall müsst Ihr für mich mit zwei Mitgliedern des königlichen Hofstaates reden. Berater Norion und Verwalterin Eminwe. Der Berater ist an einem Lagerhaus westlich von hier und die Verwalterin östlich, etwas weiter die Docks hinunter. Beide haben um Unterstützung der Wache gebeten, doch ich kann momentan keinen Mann entbehren.“

Und was ist mit demjenigen, den ihr als Boten zu mir geschickt habt?, dachte Ninonwe skeptisch, behielt aber auch diese Frage für sich. Das Gefühl das hier etwas nicht stimmte war zurückgekehrt und die Seelenberaubte ahnte, dass sie besser auf der Hut war, wann sie was zu wem sagte und wann was tat.

„Dann sollte ich wohl zuerst mit dem Berater sprechen“, sagte sie stattdessen und die Miene des Wachhauptmanns hellte sich tatsächlich auf.

„Ich sehe Ihr wisst wie man Prioritäten setzt. Oh, und erwähnt unbedingt das ich Euch geschickt habe“, meinte sie und Ninonwe konnte nicht verhindern, dass sie der Altmer einen irritierten Blick zuwarf, bevor sie sich entfernte.

Wieso glaubte der Wachhauptmann, dass ein Berater wichtiger war als eine Verwalterin? Immerhin, hatte die Verwalterin nicht eigentlich mehr zu tun und hatte damit eine höhere Priorität?
Ninonwe wusste nicht, was sie davon halten sollte und ob das hier irgendetwas mit einer ihr nicht bekannten Rangordnung zu tun hatte, doch wenn sie genau darüber nachdachte, dann wollte sie es auch nicht so genau wissen. Sie hatte dem Problem dieses Norions lediglich den Vorzug gegeben, weil die beiden Gebäude auf die Astanya gedeutet hatte unterschiedlich weit entfernt von dem Punkt waren, an dem sie gestanden hatten. Der Berater war einfach näher.
Und warum sollte sie unbedingt Astanyas Namen erwähnen?
Das ungute Gefühl in ihrer Magengegend wurde stärker und das hatte nichts damit zu tun, dass sie langsam Hunger bekam.
Die Bosmer schüttelte noch immer innerlich den Kopf, während sie in die angegebene Richtung lief und benötigte auch nicht lange um einen Altmer in teurer Kleidung zu entdecken, der ungeduldig auf den Fußballen wippte und dabei sehr angesäuert aussah.

„Berater Norion?“, fragte sie und erhielt dafür einen Blick, der sie nur noch mehr verwirrte.

Der Hochelf betrachtete sie über seine Nasenspitze hinweg und es war offensichtlich, dass er sie für unwürdig erachtete auch nur vor ihm zu stehen.

„Wie Ihr sehen könnt bin ich beschäftigt, also fort mit Euch“, teilte er ihr in einem äußerst unfreundlichen Ton mit und Ninonwe konnte ein Augenrollen nicht unterdrücken.

„Schön, dann sage ich Wachhauptmann Astanya, dass Ihr zu beschäftigt wart mir Euer Problem zu erläutern“, erwiderte sie im selben Tonfall.

„Nein, wartet“, sagte Norion fast sofort und deutlich freundlicher. „Warum habt Ihr das nicht gleich gesagt? Wenn Euch tatsächlich Astanya schickt, dann kommt Ihr genau richtig und seid definitiv die Person die mein Problem lösen kann.“

Die Bosmer sah ihn nur mit hochgezogenen Brauen an und diese wanderten bis fast an ihren Haaransatz, als er sie sogar hoffnungsvoll anlächelte. Lächelte!
Wäre sie nicht schon vorher misstrauisch gewesen, jetzt war sie es auf jeden Fall. Was für ein Spiel spielten diese Leute?
Ihr Wolf gab ihr mit einem leisen Japsen zu verstehen, dass er es persönlich für besser hielt wenn sie sowohl den Berater als auch den Wachhauptmann hier und jetzt niedersteckten, doch Ninonwe rief ihn mit einem mentalen Knuff zur Ordnung. Die Idee war verlockend, aber ganz und gar nicht hilfreich.

„Worin genau besteht denn das Problem?“, fragte Ninonwe schließlich und bemühte sich um innerliche Ruhe.

„Nun, mein Diener hat einen Dieb in dieses Lagerhaus verfolgt. Der unwissende Schuft hat die Einsatzpläne der Seesoldaten für die anstehende Rede der Königin gestohlen und ich benötige sie umgehend zurück“, erklärte Norion.

Die Seelenberaubte starrte ihn für einen Moment ungläubig an und fragte dann skeptisch: „Und der Dieb hat nicht versucht zu flüchten, während Ihr hier draußen gewartet habt?“

„Ich versichere Euch, er ist noch da drin. Samt den Plänen.“

„Warum sollte jemand so etwas überhaupt stehlen?“, fragte Ninonwe ungläubig und erhielt ein Schulterzucken.

„Sehe ich so aus, als könnte ich die Gedanken eines Einbrechers nachvollziehen?“ entgegnete Norion und rümpfte die Nase. „Jedenfalls müssen wir verhindern, dass er mit den Plänen entkommt. Es könnte die Sicherheit der Königin gefährden und das wollen wir ja nicht.“

Die letzten Worte klangen leicht sarkastisch und Ninonwe rollte nur erneut mit den Augen, bevor sie sich umdrehte und zur Tür des Lagerhauses stapfte. Wenn dieser Berater tatsächlich verhindern wollte, dass diese Pläne gestohlen wurden, dann wäre er ihrer Ansicht nach schon längst in diesem Lagerhaus oder hätte zumindest seinen Diener hineingeschickt. Was sie zu der weiteren Frage brachte: Wo war besagter Diener?
Sie beschloss sich später darüber Gedanken zu machen und warf sich stattdessen gegen die riesige Holztür des Lagerhauses, die sich nur schwer öffnen ließ. Noch bevor sie vollständig durch den entstandenen Spalt ins Gebäude schlüpfen konnte hörte sie jedoch jemanden wimmern: „Bitte. Ich habe doch getan was Ihr wolltet.“

Zu ihrer Überraschung hörte sie kaum das sie im Lagerhaus war eine weitere Person lachend antworten: „Ja. Das habt Ihr.“

Kurz darauf hörte sie ein gurgelndes Geräusch und sie rannte los, doch alles was sie von den beiden Personen noch entdecken konnte war eine dunkel gekleidete Gestalt, die einen Dolch zurück an ihren Gürtel steckte und kurz darauf in einer Rauchwolke verschwand.
Ninonwe nieste heftig, als sie das Pulver in die Nase bekam und fluchte nur einen Moment später leise zu sich selbst. Vor ihr lag ein Toter mit durch geschnittener Kehle, einige Papiere dicht neben ihm und von seinem Angreifer war keine Spur zurück geblieben.
Die Werwölfin konnte nicht einmal den Hauch eines Geruchs wahrnehmen, denn der Rauch hatte diesen komplett vernichtet. Sie bezweifelte zwar, dass dies beabsichtigt gewesen war, doch ärgerlich war es dennoch. So konnte sie diesen Angreifer nicht verfolgen.
Sie klaubte die Papiere vom Boden und warf einen kurzen Blick darauf. Es schien tatsächlich das zu sein was gestohlen wurde. Wenn sie es richtig verstand dann zeigten die Karten und zugehörigen Notizen, wo genau Wachen postiert sein würden, wenn die Königin ihre Rede hielt. Ein genaueres Lesen offenbarte ihr, dass diese Rede wohl bereits am morgigen Tag stattfinden würde.
Ihre Augen wanderten wieder auf den angeblichen Dieb und sie runzelte die Stirn. Wenn sie es richtig zusammensetzte, dann war dieser dafür angeheuert worden um die Papiere zu stehlen und sie hierher dem Mann zu bringen, der ihn gerade getötet hatte.
An sich war daran nichts Verdächtiges. Vielleicht wollte der Auftraggeber die Arbeit einfach nicht bezahlen. Aber sollte er dann nicht zumindest das Diebesgut an sich nehmen, bevor er sich davon machte?
Sie hatte keine Antwort auf diese Frage und so beschloss sie, da sie hier ohnehin nicht mehr tun konnte, als zu Norion zurückzukehren. Der Altmer stand immer noch an genau der Stelle an der sie ihn zurückgelassen hatte, was ein weiterer Umstand war, der ihr verdächtig vorkam, auch wenn sie nicht genau sagen konnte warum.

„Eure Papiere“, sagte sie schlicht und reichte dem Berater diese entgegen. „Der Dieb ist allerdings tot. Getötet von jemanden, der sich auch gleich davon gemacht hat.“

Der Berater warf nur einen desinteressierten Blick auf die Schriftstücke in Ninonwes Hand, machte aber keine Anstalten diese entgegen zu nehmen.

„Nun, das ist bedauerlich. Behaltet doch die Papiere und gebt sie dem Hauptmann, wenn Ihr sie das nächste Mal seht“, erwiderte er stattdessen, bevor er ihr einen weiteren abschätzigen Blick zukommen ließ. „Und nun entschuldigt mich, ich muss mich um die Königin kümmern.“

Und mit diesen Worten ließ der Berater sie einfach stehen, bevor Ninonwe auch nur daran denken konnte etwas zu erwidern. Zu sagen sie war verwirrt, wäre eine Untertreibung gewesen. Wer in Hircines Namen schickte jemanden los um ach so wichtige Unterlagen zurück zu holen und wollte sie dann nicht?
Ihr Wolf grollte warnend und mahnte sie zur Vorsicht. Ninonwe konnte ihm darin nur zustimmen, doch so wie es aussah hatte sie momentan nur die Wahl die Papiere zu behalten oder hier liegen zu lassen, wo jeder sie finden konnte. Sie seufzte und steckte die Schriftstücke vorerst in ihre Tasche, auch wenn sie das Gefühl hatte, dass sie diese besser hier und jetzt verbrennen sollte. Aber vielleicht wurden sie ja noch gebraucht, auch wenn alle Beweise momentan auf das Gegenteil hindeuten.
Nun noch schlechter gelaunt stiefelte die Bosmer die Docks entlang Richtung östliches Lagerhaus und warf dabei einen fast sehnsüchtigen Blick auf die Vagabund, die im Hafen vor Anker lag.
Auf einmal hörte sich Jimilas Angebot bei ihr anzuheuern richtig verlockend an.
Die Seelenberaubte verdrängte diesen letzten Gedanken mit einem leisen Seufzer, als sie das östliche Lagerhaus erreichte und stoppte als sie fast mit einem Arbeiter zusammenstieß, der einige Säcke nach draußen trug.

„Verwalterin Eminwe?“, fragte Ninonwe ihn nur und er deutete mit einer unwirschen Kopfbewegung hinter sich.

Ninonwe bedankte sich dennoch höflich und entdeckte kurz darauf eine Altmer in einem roten Kleid, die auf einem hölzernen Klemmbrett etwas notierte, wobei sie immer wieder innehielt und die Fässer und Kisten vor sich zu zählen schien.

„Verwalterin Eminwe? Hauptmann Astanya schickt mich“, sprach die Bosmer sie an und die andere Frau zuckte heftig zusammen.

Der Blick den sie Ninonwe zuwarf war beinahe ängstlich und sie fummelte nervös an ihrem Klemmbrett herum, während sie sich zu sammeln schien.

„Hauptmann Astanya, ja“, nickte die Hochelfin schließlich, wobei sie immer wieder auf ihre Listen zu sehen schien. „Ich habe da ein Problem mit den Vorräten. Wisst Ihr zwei meiner Köche sind tödlich erkrankt und das auch noch mitten in den Vorbereitungen zum Festmahl der Königin! Ich vermute Sabotage und möchte mich deshalb vergewissern das mit unseren Nahrungsmittelvorräten alles in Ordnung ist.“

„Und Ihr wollt, dass ich das übernehme?“, hakte Ninonwe nach und die Verwalterin nickte umgehend, auch wenn sie nach wie vor jeglichen Blickkontakt vermied.

„Wenn Ihr so freundlich wärt die Fässer und Kisten nebenan zu kontrollieren? Es gibt so viel Arbeit und wir haben so wenig Zeit…“

„Nun gut“, erwiderte die Bosmer, wenn auch langsam und die Frau vor sich musternd.

Diese war so nervös und angespannt, dass Ninonwe augenblicklich auf der Hut war. Außerdem stank die Frau förmlich nach Angst, auch wenn die Bosmer nicht sagen konnte woher diese Furcht kam. Sie verschob die Lösung dieses Rätsels erst einmal auf einen späteren Zeitpunkt.
Die Seelenberaubte drehte sich stattdessen auf dem Absatz um und verließ das Lagerhaus, aber sie glaubte zu hören wie Eminwe hinter ihr erleichtert die Luft ausstieß. Sie fürchtete sich also vor Ninonwe selbst? Warum?
Dies war noch eine Frage, auf die die Bosmer keine Antwort hatte und es schien als würden noch einige ungelöste Rätsel hinzukommen, bevor dieser Tag zur Neige ging. Sie schüttelte nur leicht den Kopf und machte sich daran die ihr zugewiesene Aufgabe zu erledigen.
Tatsächlich war es ihr aufgrund ihrer feinen Nase ein leichtes viele der Kisten und Fässer sofort als unwichtig abzutun und sie fand bereits nach wenigen Minuten ein einzelnes Päckchen mit gepökeltem Fleisch das einen bitteren Geruch verströmte.
Der Wolf grollte und auch Ninonwe verzog das Gesicht. Gift, soviel konnte sie ohne Probleme sagen. Aber warum sollte jemand ein einzelnes Päckchen mit Fleisch vergiften, noch dazu bevor dieses zubereitet war? War das nicht unglaublich ineffizient wenn man jemanden töten wollte?
Sie nahm das Päckchen dennoch an sich und wollte schon zur Verwalterin zurückkehren, als sie hinter sich ein verräterisches Geräusch hörte, dass verdächtig nach einem Schwert klang, dass durch die Luft sauste.
Ninonwe ließ das Päckchen fallen, zog ihre eigene Waffe und blockte den Schlag ab, bevor sie sich ihrem Gegner auch nur vollends zugewendet hatte. Ein Altmer in einer Rüstung die sie noch nie gesehen hatte stand vor ihr, scheinbar überrascht das sie den Angriff verhindert hatte, doch er erholte sich von diesem Schock auch schnell wieder und holte mit dem Dolch in seiner Hinterhand gegen sie aus.
Die Bosmer blies ihm giftig grünes Feuer direkt ins Gesicht.
Ihr Angreifer taumelte fast sofort zurück, dabei seine Waffen fallen lassend und versuchte sich an den Hals zu greifen, dabei nach Luft ringend und würgend. Ninonwe steckte derweil ihr eigenes Schwert zurück in die Scheide, wohl wissend, dass der Mann keine Gefahr mehr darstellte. So dicht wie er vor ihr gestanden hatte, hatte er das Feuer direkt eingeatmet und nicht einmal der beste Heiler in Tamriel würde ihn jetzt noch retten können. Sie verfolgte beinahe mitleidlos wie der Altmer zusammenbrach und schließlich regungslos liegen blieb, bevor sie das Päckchen erneut aufhob und zu Eminwe zurückkehrte.
Diese wirkte noch nervöser als zuvor, als Ninonwe erneut auf sie zukam und ihr das Päckchen entgegenhielt.

„Das hier ist vergiftet“, teilte die Bosmer ihr kurz angebunden mit und Eminwe sah von dem Päckchen zurück zu Ninonwe und schließlich wieder auf das Päckchen, bevor sie sich mit sichtlicher Mühe ein Lächeln auf die Lippen zwang.

„Den Sternen sei Dank, Ihr habt das Problem gefunden. Ihr solltet das unbedingt dem Wachhauptmann zeigen“, brachte sie dennoch in einem erleichterten Tonfall heraus.

Ninonwe verengte die Augen und ihre Lippen wurden langsam zu einer schmalen Linie, doch sie zwang sich zu einem Nicken.

„Natürlich“, presste sie zwischen den Zähnen hervor, während der Wolf in ihrem Kopf bedrohlich knurrte. „Ihr wisst nicht zufällig etwas über den Mer der mich gerade angegriffen hat? Es schien als würde er eine Art Uniform tragen.“

„Ein… ein fremder Mer?“, stotterte die Verwalterin und sah schnell wieder auf ihre Listen, die für sie scheinbar so etwas wie ein Rettungsanker waren. „Sicher nur ein Beutelschneider. Es treiben sich viele von ihnen an den Docks herum, in der Hoffnung, dass sie sich etwas von der Ladung abzwacken können. Ihr solltet Euch hier vorsehen.“

Ninonwe warf einen Blick auf das Päckchen in ihrer Hand und musterte Eminwe. Die Hände der Verwalterin zitterten leicht.

„Ist das ein Rat den Ihr auch selbst beherzigt?“, fragte sie schließlich und zum ersten Mal sah die Verwalterin sie direkt an, scheinbar sprachlos.

Ninonwe wartete die Antwort jedoch nicht ab, sondern drehte sich auf dem Absatz um und marschierte in Richtung des Wachhauptmanns davon, dabei die Papiere von Norion aus ihrer Tasche kramend. Es war ohnehin eine rhetorische Frage gewesen.
Die Seelenberaubte wusste zwar nicht warum und wozu, doch vor einigen Minuten war ihr klar geworden, worauf das hier alles abzielte.
Jemand wollte sie tot sehen. Als sie das Fleisch gefunden hatte und sie kurz darauf angegriffen worden war, war ihr das klar geworden. Die Papiere waren wahrscheinlich auch eine Falle gewesen, die aus irgendeinem Grund nicht zugeschnappt war. Aber das Fleisch war definitiv so platziert worden das sie es fand und der Angriff aus dem Hinterhalt war ein Anschlag auf sie gewesen.
Blieb nur noch die Frage warum. Und wer.
Obwohl sie bei letzterem eine gute Ahnung hatte und genau diese Person würde Ihr jetzt Rede und Antwort stehen. Astanya mochte Razum-dar nicht leiden können, aber das war doch noch lange kein Grund einer Fremden die vielleicht mit dem Khajiit in Verbindung stand Angreifer auf den Hals zu hetzen.
Ninonwe war nicht einmal sonderlich überrascht das Astanya immer noch an der Treppe stand, doch ihre Wut verebbte ein wenig, als der Hauptmann sie entdeckte und ihr beinahe ungeduldig bedeutete näher zu kommen, ganz so als hätte sie die Bosmer schon vor einiger Zeit zurück erwartet.
Das verunsicherte Ninonwe. Hatte Astanya vielleicht gar nichts mit dem Angriff zu tun?

„Sagt mir was Ihr gefunden habt“, forderte Astanya sie auf, kaum dass die Seelenberaubte nah genug für ein Gespräch war und diese musste sich erst einmal einen Moment sammeln, streckte dem Hauptmann jedoch schließlich Papiere und vergiftetes Fleisch entgegen.

„Ich habe das hier…“, begann sie, doch die Altmer vor ihr machte nur eine unwirsche Handbewegung.

„Gut, gut, sehr solide Arbeit“, unterbrach sie die Bosmer, die nur verdutzt dreinblicken konnte, aber nicht zu Wort kam, da Astanya fortfuhr: „Hört zu, ich bitte Euch nur ungern erneut um einen Gefallen, doch meine Männer haben einen gefährlichen Ganoven in eines der Häuser nördlich von hier, nahe des Gasthauses ‚Maras Kuss‘, verfolgt und ihn dort festgesetzt. Jetzt brauchen sie jedoch Hilfe um ihn gefangen zu nehmen, da er sich weigert mit einem Mitglied der Wache zu sprechen. Wir wissen jedoch, dass er in eine Verschwörung gegen die Königin verstrickt ist, weshalb wir ihn unbedingt lebend brauchen. Da kommt Ihr ins Spiel. Meldet Euch bei Heldil.“

Ninonwe war für geschlagene fünf Sekunden absolut sprachlos und musste sich erst einmal sammeln, bevor sie irgendeine Art von Antwort formulieren konnte.

„Ich…“, begann sie, bevor sie erneut die Papiere und das Päckchen hochhob und fragte: „Wollt Ihr diese Dinge nicht?“

„Habt Ihr mir nicht zugehört?“, herrschte Astanya sie an. „Ein gefährlicher Krimineller muss dingfest gemacht werden. Das Leben der Königin ist in Gefahr und dieser Verbrecher ist an dem Komplott beteiligt! Die Sachen könnt Ihr mir auch später aushändigen.“

Du meinst später damit erwischt werden, damit du mich auch des Verrats bezichtigen kannst, du doppelzüngige Schlange, dachte Ninonwe und kämpfte die Wut ihres Wolfes nieder, während die einzeln Teile in ihren Gedanken an den richtigen Platz fielen und plötzlich eine sehr klares Bild ergaben.

Sie hatte sowohl die Papiere als auch das vergiftete Fleisch entdecken sollen, damit man sie später bei ihr fand. Astanya hatte eine Falle für die junge Bosmer aufgestellt, die vielleicht grob und nicht sehr fein durchdacht gewesen war, doch immerhin gut genug das Ninonwe hinein getappt war. Wie ein junger Wolf der noch nicht gelernt hatte, dass man dem Fleischbrocken in der Mitte eines Metallringes besser nicht traute.
Nun, jetzt hatte sie begriffen. Sie wusste zwar immer noch nicht warum man sich eine solche Mühe gab um sie des Verrats an einer Königin zu beschuldigen, die sie noch nie getroffen und deren Namen sie bis vor vier Tagen noch nicht einmal gekannt hatte, doch das spielte momentan eine eher untergeordnete Rolle.
Zuerst musste sie dem herunterfallenden Eisengitter entkommen bevor es den Boden erreichte. Die beste Möglichkeit war wahrscheinlich zu diesem angeblich gefährlichen Kriminellen zu gehen, von dem Ninonwe bezweifelte das es tatsächlich ein Verbrecher war. Aber scheinbar war er ein Feind des Wachhauptmanns und damit ganz klar Ninonwes neuer bester Freund.

„Ich habe Euch zugehört“, sagte sie schließlich mit einem zuckersüßen Lächeln bevor sie Astanya die Sachen in ihren Händen einfach gegen die Brust drückte.

Diese war so verdutzt, dass sie reflexartig zu griff und Ninonwe machte, dass sie davon kam und in die zuvor angegebene Richtung lief. Der Wolf lachte nur grollend, während er sie daran erinnerte, dass nach wie vor die Möglichkeit bestand den Wachhauptmann in Stücke zu reißen.

„Später“, murmelte Ninonwe zu sich selbst, doch der Wolf gab sich damit zufrieden.

Das Versprechen auf Blut hatte ihn schon immer beruhigt und sie wusste, dass sie sich glücklich schätzen konnte, dass sie zum einen genügend Willenskraft besaß um ihn zu kontrollieren und gleichzeitig fast keine unliebsamen Nebeneffekte der Lykanthropie durchleben musste. Sie hatte von vielen anderen gehört, die es kaum oder gar nicht schafften ihre Blutlust im Zaum zu halten und von manchen die keine Kontrolle über ihre Verwandlungen hatten.
Sie hatte nie herausgefunden warum ihr Onkel Darus, sie selbst und die wenigen anderen Werwölfe ihres Rudels anders waren und es besser schafften ihre inneren Bestien zu kontrollieren aber sie alle hatten dies als einen Segen angesehen, erlaubte es ihnen doch auch mit Nicht-Werwölfen zusammen zu leben.
Ninonwe verlangsamte ihre Schritte etwas, als sie aus der Ferne das Schild für ein Gasthaus sehen konnte und sah sich kurz um. Nicht unweit entdeckte sie einige Wachen, die die Tür eines Hauses in Grund und Boden starrten.
Sie vermutete, dass dies die Wachen waren, zu denen Astanya sie schicken wollte und so trat sie näher. Nun, da sie vorgewarnt war rechnete sie eigentlich damit, dass die beiden Altmer vor ihr sich jeden Moment zu ihr umdrehen würden. Entweder um sie tatsächlich in das Haus zu dem gefährlichen Kriminellen zu schicken, damit sie mit diesem zusammen festgenommen wurde oder aber um nur sie selbst zu verhaften, um sie nach den Beweisen für den angeblich geplanten Anschlag zu durchsuchen.
Nun, sollte Letzteres der Fall sein, würden sie etwas dumm aus der Wäsche gucken, da Ninonwe nichts bei sich hatte, dass auch nur ansatzweise darauf hindeutete. Einer der Altmer wandte den Kopf tatsächlich in ihrer Richtung, machte aber keine Anstalten sie zu ergreifen.

„Tretet zurück, Bürgerin“, befahl er mit fester Stimme. „Die Wache muss hier ein Problem lösen, bei dem Ihr nicht im Weg stehen solltet.“

„Euer Hauptmann schickt mich. Sie meinte Ihr hättet hier einen Kriminellen in die Enge getrieben, der sich weigert mit der Wache zu reden“, informierte Ninonwe die beiden Wachen mit ruhiger Stimme.

Das Gesicht des Hochelfen direkt vor ihr hellte sich augenblicklich auf.

„Hilfe vom Hauptmann?“, fragte er sichtlich erfreut, bevor er zufrieden nickte. „Hervorragend. Wisst Ihr der Mer dort drinnen wird von der Krone gesucht und hat wichtige Informationen, aber jedes Mal wenn wir uns der Tür nähren, droht er sich selbst zu töten.“

Ninonwe nickte, um zu zeigen, dass sie verstanden hatte, fragte aber dennoch: „Und Ihr wollt das ich es jetzt versuche, in der Hoffnung, dass er mich einlässt?“

„Gut geschlussfolgert“, nickte der Wachmann. „Ihr müsst ihn nur zum Reden bringen, nichts weiter. Hört nicht auf das was er von sich gibt. Er ist halb verrückt. Versucht einfach ihn nicht zu töten, denn wir brauchen ihn unbedingt lebend. Wir kommen dann dazu, sobald Ihr ihn in ein Gespräch verwickelt habt. Verstanden?“

Besser als du ahnen könntest, dachte Ninonwe ärgerlich, setzte jedoch eine ernste Miene auf und neigte den Kopf.

„Verstanden“, erwiderte sie, bevor sie an den beiden Wachen vorbei schritt, die Hand hob und mit der geballten Faust gegen die schwere Holztür hämmerte.

Drinnen hörte sie ein Geräusch, doch während sie auf eine Antwort wartete fiel hier auf, dass das Türschloss aus Metall zu sein schien. Eine Idee formte sich langsam in ihrem Kopf, eine die mit einem zufriedenen Grummeln ihres Wolfes kommentiert wurde, der sich in ihrem Geist bereits ausgiebig streckte. Ninonwe beachtete dies nicht weiter, als sie Schritte hinter der Tür hörte.

„Ich sagte doch, dass Ihr wegbleiben sollt. Öffnet diese Tür und ich schneide mir die Kehle durch!“, kam eine Stimme von drinnen und Ninonwe legte leicht den Kopf schief.

Definitiv ein Mann, soviel konnte sie sagen, und zwar einer der nervös schien. Oder ängstlich. Sie konnte es ihm nicht wirklich verdenken, denn wenn sie jemand so in die Enge getrieben hätte würde sie auch…
Nun, nein, sie würde nicht ängstlich, sondern wütend werden und sich verwandeln um bis zum letzten Atemzug alles vor sich in Stücke zu reißen, aber sie konnte ihn dennoch verstehen.

„Ich gehöre nicht zur Wache“, erwiderte sie laut genug, so dass sie sich sicher war das der Fremde sie hören konnte. „Bitte, ich möchte wirklich nur mit Euch reden.“

Von innen kam ein fast belustigtes Schnauben und sie hörte ihn irgendetwas murmeln, bevor er fragte: „Warum sollte ich Euch vertrauen?“

„Wahrscheinlich solltet Ihr das nicht“, erwiderte Ninonwe ehrlich. „Aber wenn Ihr nicht sterben wollt bin ich Eure beste Hoffnung. Und wahrscheinlich auch die Einzige.“

Für einen langen Moment hörte sie nur Schweigen und sie war schon kurz davor sich zu der Wache umzudrehen, um mit den Schultern zucken, doch plötzlich hörte sie, wie sich Schritte von der Tür entfernten.

„Schön. Nun gut. Kommt rein, aber macht ja keine Dummheiten“, hörte sie den Fremden rufen.

Ninonwe hatte vor in den nächsten Minuten sogar einige dumme Sachen zu machen, aber immerhin ließ er sie das Haus betreten. Sie sah über ihre Schulter und nickten den Wachen zu, die diese Geste erwiderten und so legte sie eine Hand auf die Türklinke.

„Ich komme jetzt rein“, rief sie und drückte die Klinke hinunter.

So schnell sie konnte schlüpfte sie ins Innere. Im Haus war es wärmer als sie angenommen hatte und im Schein des Kaminfeuers konnte sie einen Hochelfen erkennen, der mit gezücktem Dolch in der Mitte des Wohnraumes stand. Er trug nur eine einfache Rüstung, hatte fast so helles Haar wie die Seelenberaubte selbst und trug einige Schmuckverzierungen im Gesicht und rechten Ohr.
Außerdem atmete er erleichtert aus, als er sie sah.

„Den Sternen sei Dank, Ihr seid keine Wache. Schnell, wir haben nicht viel Zeit“, sagte er, doch Ninonwe hob nur eine Hand und bedeutete ihm still zu sein.

Mit der anderen Hand beschwor sie eine Stichflamme herauf und sie richtete diese auf das Türschloss, das nur in Sekunden rot zu glühen begann, bevor Ninonwe die gesamte Hitze abzog und es damit zuverlässig verschweißte.

„Das sollte für ein paar Minuten halten“, meinte sie zufrieden, als sie sich wieder dem Altmer zuwandte, der sie nur verdutzt anstarrte.

„Ich… ja, dass sollte es wahrscheinlich“, stimmte er zu. „Aber warum…“, begann er, doch Ninonwe bedeutete ihm erneut still zu sein.

„Ich stelle Euch Fragen und Ihr antwortet kurz und präzise“, befahl sie und erhielt zu ihrer Überraschung ein Nicken.

„Astanya ist der Feind und Ihr seid kein gefährlicher Krimineller, richtig?“, begann sie und er atmete sichtlich erleichtert aus.

„Das ist richtig. Ich gehöre zu den Augen der Königin. Wir…“

Ninonwe ließ ihn nicht ausreden, doch sie sah kurz über ihre Schulter, als sie hörte wie jemand sich gegen die Tür warf. Offenbar war der Wache aufgegangen, dass sie nun zwei Leute festnehmen mussten. Die Seelenberaubte schätzte, dass sie noch einige Anläufe benötigen würden, um die Tür aus den Angeln zu heben. Scheinbar war ihre erste Einschätzung von der soliden Bauweise der Hochelfen richtig gewesen.

„Kennt Ihr Razum-dar?“, fragte sie den Altmer vor ihr und dieser sah sie nun erst recht verdutzt an.

„Raz? Er ist mein Vorgesetzter. Ihr… Wann habt Ihr…?“, begann er, doch kam nicht weiter, als Ninonwe begann ihre Tasche und ihren Gürtel abzulegen.

„Haltet den Mund, hört mir genau zu, tut genau was ich Euch in den nächsten Minuten sage und dann schaffen wir es beide lebend hier raus“, erwiderte sie harsch. „Einverstanden?“

Sie erhielt ein verwirrtes Nicken, als sie begann ihre Lederrüstung und ihre Stiefel aus zu ziehen. Ein weiterer dumpfer Schlag ließ die Holztür erzittern.

„Mein Name ist Ninonwe. Ich habe Raz auf Khenarthis Rast getroffen, wir haben zusammen Maormer bekämpft, danach hat er mich hierher geschickt, um Astanya eine Nachricht zu überbringen, da er sie wohl für eine Verbündete hielt. Meine Erfahrungen mit Ihr in den letzten Stunden haben mir gezeigt, dass er sich darin wohl geirrt hat. Ihr könnt mich später darüber aufklären, was Ihr dazu wisst“, erklärte sie.

„Mein Name ist Fasion“, erwiderte er, offensichtlich nach wie vor verwirrt.

„Angenehm“, nickte Ninonwe, bevor sie ernst wurde. „Hört mir jetzt genau zu. Wenn die Wache hier herein kommt sind wir wahrscheinlich sehr bald tot. Ihr werdet jetzt den Dolch wegstecken und ich werde Euch alle meine Sachen geben. Ihr werdet diese festhalten so gut Ihr könnt. Ich werde Euch auf den Rücken nehmen, nachdem ich mich verwandelt habe. Ihr werdet nicht schreien. Ihr werdet mich nicht angreifen. Wenn Ihr es versucht, werde ich Euch über die ganze Insel in Einzelteilen verteilen. Verstanden?“

„Ver… verwandeln?“, fragte Fasion verwirrt und Ninonwe schenkte ihm einen amüsierten Blick.

„Nehmt meine Sachen, Fasion. Momentan bin ich Eure einzige Rettung“, erwiderte sie und begann aus Hemd und Hose zu schlüpfen, was den Altmer einen erschrockenen Laut ausstoßen ließ.

Dennoch tat er wie ihm geheißen, sammelte mit flinken Bewegungen alle ihre Habseligkeiten auf und wich dann zurück. Die Bosmer rollte einmal die Schultern und ließ dann ihrem Wolf den Vortritt, ihn dabei ermahnend, dass es hier um eine Flucht ging, die auch ihrer beider Leben retten würde. Gegen die ganze Wache hatten sie kaum eine Chance und sie mussten jetzt aus der Stadt raus.

Fasion derweil wich langsam an die nächstbeste Wand zurück, während er mit schreckensgeweiteten Augen auf die zierlich Bosmer sah, deren Körper sich plötzlich krümmte und komplett zu verändern schien. Die Gliedmaßen wurden länger, die Finger waren plötzlich mit langen, tödlichen Klauen bestückt und die Haut der jungen Frau wurde dunkler und dicker, bevor überall silbriges Fell hervorspross. Er war vielleicht noch kein sehr alter Mer, aber er hätte nie gedacht, dass er einmal in einem Raum mit einem Werwolf sein würde.
Es wäre eine Untertreibung zu sagen, dass er nicht kurzzeitig vor Angst erstarrte und dabei war er heute schon vor mordlustigen Wachen in dieses Haus geflüchtet. Er war außerdem bereits davon überzeugt gewesen, dass er heute sein Ende durch einen Schwerthieb fand. Als Wolfsmahlzeit zu enden hätte er nicht einmal in einem seiner Albträume in Betracht gezogen.
Dennoch klammerte er sich an die Habseligkeiten der Bosmer als wären sie eine Rettungsleine und er schaffte es nicht leise zu wimmern, als der Werwolf sich ihm zuwandte. Alle Geschichten die er über die Bestien Hircines kannte behaupten immer, dass Werwölfe nichts als Tiere waren, doch in den Augen des Wolfes vor ihm lag eine unbestreitbare Intelligenz.
Der Hochelf versuchte sich darauf zu konzentrieren, auch wenn es ihm schwer fiel nicht den Versuch zu starten mit der Wand zu verschmelzen, als die über zwei Meter große Bestie langsam auf ihn zukam. Oder das Schwert der Bosmer gegen sie zu verwenden. Sein Blick glitt zu der Waffe in seinen Armen, doch ein warnendes Knurren ließ ihn wieder aufblicken.
Der Werwolf schüttelte merklich den Kopf, bevor er sich… kleiner machte?
Fasion war für einen kurzen Moment verwirrt, doch dann erinnerte er sich, wie die kleine Waldelfin gesagt hatte, dass sie ihn auf den Rücken nehmen würde. Er hatte das für eine idiotische Idee gehalten immerhin war sie doch viel kleiner und zierlicher als er. Jetzt jedoch…
Der Wolf ruckte merklich ungeduldig mit dem Kopf und knurrte erneut. Der Altmer schluckte nur, fand aber, dass er seine Beine nicht dazu bringen konnte in die Richtung der Kreatur zu gehen. Er hatte nie auf die Art und Weise herausfinden wollen, dass lähmende Angst tatsächlich nicht nur eine Umschreibung war. Er hatte es nie wirklich für möglich gehalten und es auch nie erlebt, obwohl er schon viele Kämpfe mit allen möglichen Kreaturen und Leuten überstanden hatte.
Er wurde zurück in die Wirklichkeit katapultiert, als plötzlich die Tür mit einem ohrenbetäubenden Geräusch splitterte und plötzlich mehrere Sachen gleichzeitig passierten. Er hörte ein tiefes Heulen, den erschreckten Schrei einer Frau und im nächsten Moment flogen zwei Wachleute durch den Raum und gegen die Wände, wo sie zuerst bewusstlos liegen blieben.
Keine Sekunde später griff eine riesige Klaue seinen Arm und warf ihn einmal herum und das nächste was der Altmer wusste, war wie er sich in Todesangst an dem Werwolf festklammerte, die Habseligkeiten der Bosmer gegen seine Brust gepresst, während die Bestie direkt durch eines der Fenster sprang und mit langen Sprüngen davon wetzte.
Er, oder sollte Fasion besser sagen sie, wetzte so schnell aus der Stadt, dass die Umgebung nur verschwommen an ihnen vorbeihuschte. Die Lichter der Laternen waren bald hinter ihnen und nur wenig später umfing sie die Dunkelheit des Waldes. Der Altmer war sich sicher, dass seine Retterin mehrere Haken schlug um etwaige Verfolger abzuschütteln, doch ansonsten bekam er nur wenig mit. Er war noch nie so schnell unterwegs gewesen. Der Werwolf musste schneller sein als jedes Pferd das er benennen konnte und sein Volk züchtete einige edle und schnelle Rösser.
Fasion konnte nicht wirklich sagen, was ihn dazu trieb doch einen Blick auf die Umgebung zu riskieren, doch als er sich umsah, erkannte er, dass sie wohl nahe der Küste waren und wieder nach Süden liefen.

Er wusste nicht, woher er den Mut nahm oder warum er vermutete, dass noch genügend von der Bosmer in dieser Gestalt vorhanden war, dass ihn der Werwolf verstehen konnte, dennoch streckte sich einem der großen Ohren entgegen und rief: „An der Küste, östlich der Stadt gibt es eine Höhle, die einst ein Schmugglerversteck war. Die Augen haben sie vor Monaten geräumt.“

Er wusste nicht ob er erfreut sein oder lieber vor Furcht gleich ohnmächtig werden sollte, als der Wolf tatsächlich die Richtung änderte. Nicht intelligenter als ein Tier, von wegen. Wenn er jemals einen dieser Gelehrten die das behauptet hatten in die Finger bekam, würde er ihnen gern diese Geschichte erzählen und ihre Theorien widerlegen.
Oder besser nicht: Wenn der Werwolf ihn nicht fraß und er tatsächlich jemanden davon erzählen konnte, würde er die Lebensschuld gegenüber der Bosmer nicht damit vergelten, dass er sie ans Messer lieferte. Denn so wie es aussah, hatte sie ihn tatsächlich gerettet.
Fasion hatte wenig Zweifel daran, dass Astanya dafür gesorgt hätte, dass er den morgigen Tag nicht erlebte sobald sie ihn in die Finger bekam. Was ein weiterer Umstand war, wofür er sich bei der Bosmer bedanken musste: Sollte er das hier heil überstehen, würde er tatsächlich etwas gegen das Schleiererbe unternehmen können, die, für eine scheinbar so neue Gruppierung, wahrlich hochgesteckte Pläne hatten. Nicht viele Widerstandsgruppen begannen damit sich als erstes Ziel die Ermordung eines Monarchen zu setzen.
Der Hochelf wagte es erneut aufzusehen, als er spürte, wie der Werwolf langsamer wurde und atmete erleichtert auf, als er einige der Felsen und den Strand um sie herum wieder erkannte. Nur wenige Augenblicke später entdeckte er die alte verwitterte Holztür, die in die halb überfluteten Höhlen führte, die noch vor wenigen Monaten einigen Schmugglern als Versteck gedient hatten. Die Augen der Königin hatten es im Stillen geräumt und die Schmuggler waren bisher nicht wieder aufgetaucht. Zumindest hoffte Fasion dies, denn er hatte wenig Lust mit anzusehen, wie gefährlich seine Retterin in dieser Gestalt tatsächlich war.
Der Werwolf derweil stieß ohne zu zögern die Tür auf und trat ins Innere der Höhle, wo das ungleiche Paar nur Augenblicke später Dunkelheit umfing. Etwas vor ihnen gab es eine Öffnung in der Höhlendecke, so dass zumindest das Licht von Messer und Secunda bis hierher durchdrang, doch der Hochelf musste gestehen, dass er deshalb trotzdem so gut wie nichts erkennen konnte. Er spürte jedoch, wie eine große klauenbesetzte Pranke einen seiner Arme packte und ihn vom Rücken des Wolfes herunterzog. Fasion hatte nicht damit gerechnet, und zugegeben seine Beine waren ein bisschen wacklig momentan, so dass er unsanft auf seinem Hintern landete, wobei all die Dinge, die zwischen ihm und dem Rücken des Werwolfes eingeklemmt waren nun zu Boden fielen.
Die gelben Augen der Bestie waren in der Dunkelheit wie kleine Laternen und der Altmer kroch instinktiv rückwärts bis er mit dem Rücken gegen die Höhlenwand stieß. Er weigerte sich jedoch die Augen zu schließen.
Wenn der Wolf ihn jetzt doch noch fressen wollte, dann wollte er das Ende lieber kommen sehen. Er hörte jedoch nur ein Schnauben, das beinahe belustigt klang, bevor der Wolf sich abwandte und durch das Wasser, das sich unter dem Loch in der Decke gebildet hatte stapfte und tiefer in die Höhle verschwand. Der Altmer wartete angespannt darauf dass die Bestie zurückkam, doch als mehrere Minuten vergingen, ohne dass irgendetwas passierte, rappelte er sich vom Boden hoch und sah sich unschlüssig um, auch wenn er nach wie vor nicht wirklich etwas erkennen konnte.
Ihm war, als würde im hinteren Teil der Höhle ein Feuer aufflackern, doch das tat er schnell als Einbildung ab. Zumindest bis zu dem Moment wo ihm einfiel, wie die Bosmer das Türschloss in dem Haus in das er sich geflüchtet hatte mit einer Stichflamme verschweißt hatte und plötzlich war es gar nicht mehr zu abwegig. Tatsächlich konnte er nun den Boden erkennen und er begann die herunter gefallen Sachen aufzuheben.

„Wärt Ihr so freundlich mir meine Habe auszuhändigen?“, fragte eine deutlich hellere Stimme, mit einem unverkennbar belustigten Unterton plötzlich und der Altmer hätte beinahe alles vor Schreck wieder fallen gelassen.

Vor ihm stand eine sichtlich amüsierte aber splitterfasernackte Waldelfe, um die eine kleine Kugel kreiste, die aus geschmolzenem Gestein zu bestehen schien.
Fasion streckte ihr augenblicklich alles entgegen, was er in den Armen hielt, dabei die Augen so fest zukneifend wie es ging.

Ninonwe hatte Mühe nicht laut loszulachen, als sie das sah, beschloss aber, dass es wahrscheinlich besser war wenn sie sich zumindest Hose und Hemd wieder anzog, bevor er noch einen Schlag bekam. Während sie in ihre Sachen schlüpfte musste sie sich eingestehen, dass dies besser gelaufen war, als sie zuerst angenommen hatte. Ihr neuer Freund hatte zumindest bisher noch nicht versucht sie anzugreifen und es sah momentan auch nicht so aus, als würde er das in nächster Zeit tun.

„Die Wache kennt diesen Ort nicht?“, fragte sie und sah wie er ein Auge einen spaltbreit öffnete.

Scheinbar fiel es ihm leichter sie anzugucken, wenn sie halbwegs bekleidet war, eine Reaktion, die sie auch bei Razum-dar beobachtet hatte. Ninonwe verdrehte innerlich nur die Augen. Es war ihr schon immer schleierhaft gewesen, warum sich Männer aller Rassen so leicht von einer nackten Frau ablenken ließen.

„Soweit ich weiß sind wir hier sicher. Zumindest für den Moment. Es dürfte der Wache schwer gefallen sein sich an Eure Fersen zu heften, selbst wenn sie die Verfolgung sofort aufgenommen hätten. Was ich jedoch bezweifle. Ihr seid… schnell“, erwiderte er, wenn auch mit einem Gewissen zögern in der Stimme.

Ninonwe seufzte nur.

„Fasion, ich habe Euch nicht gerettet, um Euch jetzt zu töten“, meinte sie direkt. „Hätte ich das gewollt, wärt Ihr jetzt nicht einmal in dieser Höhle.“

Im Schein der heraufbeschworenen Magmakugel konnte die Seelenberaubte sehen wie ihr Begleiter betreten den Blick senkte.

„Verzeiht. Ich… Ich habe noch nie einen Werwolf getroffen. Ich dachte nicht, dass ihr alle so kontrolliert…“

„Vergleicht diese Erfahrung niemals mit anderen Werbestien denen Ihr begegnen könntet“, unterbrach ihn Ninonwe harsch. „Solltet Ihr jemals einem anderen Werwolf begegnen rechnet mit Eurem Tod. Rennt, wenn Ihr könnt. Versucht ihn zu töten. Was auch immer Euch am Leben hält. Die meisten meiner Art haben wenig Kontrolle über ihre Innere Bestie und wollen es auch gar nicht.“

„Aber Ihr seid anders?“

„Mein Onkel hat mir beigebracht, dass wenn wir uns wie Tiere verhalten, wir es auch verdienen wie sie gejagt und niedergestreckt zu werden. Ich habe beschlossen, dass dies kein erstrebenswertes Schicksal ist“, erwiderte die Bosmer nur, wofür sie ein zögerliches Nicken erhielt.

Nun, sie konnte nur hoffen, dass er verstand, dass sie die Kontrolle hatte und nicht der Wolf. Oder das er zumindest schlau genug war sie nicht anzugreifen, selbst wenn er ihr nicht vertraute. Sie würde sich nicht zurückhalten wenn er es tat. Fürs erste jedoch schienen sie so etwas wie eine Partnerschaft zu haben.

„Kommt“, meinte sie. „Weiter hinten gibt es einen Raum der groß genug ist, sodass wir beide es uns dort für eine Weile gemütlich machen können. Und während wir das tun, erzählt Ihr mir alles was Ihr herausgefunden habt, während ich Euch im Gegenzug einweihe wie ich in diesen Schlamassel geraten bin.“

Zu ihrer Überraschung erhielt sie tatsächlich ein zurückhaltendes Lächeln von dem Altmer, bevor er antwortete: „Es wäre mir eine Freude.“

"Geschichten aus Tamriel (Teil 1) - Seelensammler" von Salira | The Elder Scrolls (2024)

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